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letzte Änderung 09.11.2007
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Gedanken zur Sponsion

Ich muss mich bereits im Voraus entschuldigen: Ich bin geladen. Stinksauer. Es wird mir nicht möglich sein, eine neutrale und emotionslose Distanz zu halten. Diesmal nehme ich es persönlich.
Anlass ist ein Satz, den ich in aller Klarheit vor mir habe, und dennoch nur inhaltlich vollständig zitieren kann. Er stammt aus dem Gutachten zu einer Magisterarbeit, man kann es auch Zeugnisbegründung nennen. Ich muss hinzufügen, dass die Universität als Institution inhaltlich aus diesem Satz kein Geheimnis macht. Jeder weiß es, ich auch, und dennoch trifft mich dieser Satz mit einer ungeahnten Wucht. Er lautet:

„Es ist unüblich, in einer Magisterarbeit reflexiv zu sein.“

Diesen Satz und seine Bedeutung muss Mensch sich erst einmal im Hirn zergehen lassen.
Er bedeutet nichts anderes, als dass der gemeine Student (mit merkbarem Bedeutungsverlust kann alternativ auch die Formulierung „der allgemeine Student“ verwendet werden) wissentlich und mit Vorsatz am Ende seines Studiums als Akademiker entlassen wird, ohne dass er es gelernt zu haben hat, eigenständig nachzudenken und kritisch zu sein. In seiner Abschlussarbeit, ohne die er letztendlich kein Akademiker wird, ist Kritik und Reflexion keine Selbstverständlichkeit.

Der Witz beginnt erst:
Dem gegenüber steht nämlich ein Schwur, den der gemeine Absolvent bei der Sponsionsfeier schwört (wenn er nicht will, geht er nicht zur Sponsion, denn Akademiker wird er auch mit einem formlosen Abschlussbescheid), der genau das Gegenteil darstellt und ein wissenschaftliches Ideal ist, welches offenbar, wie der oben erwähnte Satz eben klarlegt, in der Praxis nur unüblicherweise anzutreffen ist. Man schwört auf eine Geisteshaltung, an die man sich bis zum Schluss des Studiums noch nicht notwendigerweise zu halten gehabt haben muss. Wie diese geistige Kehrtwende nach dem Studium plötzlich eintreten soll ist mir daher schleierhaft.

Leitbilder haben ihre Berechtigung, aber in dieser Ausprägung wird dieser Schwur zu einem Stern, der ganz weit weg in einer anderen Galaxie leuchtet.
Dieser Schwur verkommt zu einer leeren Phrase, einer Worthülse. Das darin enthaltenen Ideale sollte ja bereits gelebt – und somit in ihrem Anspruch daran, bereits in der Magisterarbeit erkennbar sein.

Das Ideal zu leben gelingt nicht immer, permanent dort zu sein ist schwer, aber zumindest der Wille sollte da sein und sich in dem einen oder anderen lichten Moment auch durchsetzen. Die Unüblichkeit der Reflexion degradiert den Titel des Magisters zu einer besseren Matura. Ich halte diesen Werteverlust für enorm und fatal.

Welche Akademiker sind wir, im Stadium des Magisters, wenn dort nur verlangt wird, die Inhalte anderer formgerecht und nicht sinnentstellt wiedergeben zu können? Wie lange müssen wir denn noch warten, lernen und älter werden, bis aus uns und mit Hilfe der Universität, ein mündiger, kritischer und kritikfähiger Mensch wird, der nicht alles was ihm unterkommt und vorgesetzt wird einfach so hinnimmt.
Auch auf einer Universität wird Unsinn geredet, viel Unsinn sogar, er tarnt sich manchmal einfach nur besser als anderswo. Manchmal tarnt er sich auch gar nicht.
Es mangelt der universitären Ausbildung daran, dem Antreffen und Auftauchen von Worthülsen, Gelaber und vorgetäuschter Intelligenz nicht nur einen, sondern konsequent oft viele Riegel vorzuschieben.

Damit ich richtig verstanden werde: Kritik kann nicht immer erfolgen. Oft fällt es schwer die richtigen Fragen zu finden, die Problemstellen zu erkennen und noch schwerer wird es, dem spontan und ohne langwierigen Nachdenkprozess konstruktive Gegenvorschläge entgegen zu setzen. Wenn dies immer so einfach wäre, könnte man den Beruf des Wissenschaftlers komplett abschaffen. Aber der Anspruch und Wille soll da sein, nicht vor schönen Begriffen, intelligent klingenden Sätzen und akademischen Titeln andächtig in die Knie zu gehen, und dem Vertrauen auf die eigene Intelligenz endlich eine Chance zu geben.

Es kann nicht sein, dass das Nachdenken über eine Sache pauschal den Philosophen überlassen wird. Zugegeben ein positives Vorurteil: Wie gut oder desolat sich die Lage in deren Studium darstellt ist mir nicht bekannt. Ich komme nicht umhin, diese Sache für uns alle jungen Akademiker zu fordern und zu verlangen, auch in der Wirtschaftswissenschaft und auch bereits im Stadium des Magisters. Wohlgemerkt bereits hinführend während und am Ende des Studiums, und nicht erst zum Abschluss in einer Feier, als blankes Schaustück für Eltern und Freunde. Es wäre eine Bankrotterklärung und Schande für uns.

Zur eigenen Sponsion, November 2007
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